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Gebäude Abrechnungszentrum Emmendingen

Der Kampf gegen die Arzneimittelsucht

Sie kommt meist schleichend und unbemerkt: die Abhängigkeit von Arzneimitteln. Eine verkannte Gefahr, denn besonders Beruhigungs- und Schlafmittel, die zu lange verschrieben werden, können mit der Zeit wirkungslos werden oder – noch schlimmer – kostspielige Nebenwirkungen haben.

Kaum jemand ist so intensiv mit dem Thema Suchtprävention vertraut wie Dr. Ernst Pallenbach. Als promovierter Apotheker hatte er regelmäßig mit missbräuchlich angewandten Medikamenten zu tun und wirbt als Beauftragter für Suchtprävention der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg für den aufmerksamen Umgang mit Medikamenten.
Auch im Abrechnungszentrum Emmendingen kümmert er sich verstärkt um den Kampf gegen die Sucht: Gemeinsam mit dem Apothekerteam und Herrn Dr. Effertz hat er verschiedene Dienstleistungsmodule zur Suchtprävention mitentwickelt, die an unterschiedlichen Stellen ansetzen. So lassen sich zum Beispiel Auffälligkeiten im Verordnungsverhalten feststellen – und per akkreditierter E-Learning-Fortbildungsveranstaltung können Ärzte für die Thematik sensibilisiert und geschult werden. Im SUMMA SUMMARUM-Kurzinterview skizziert Dr. Ernst Pallenbach die wichtigsten Punkte.

 

Wo genau liegt das Problem im missbräuchlichen Umgang mit Arzneimitteln?

Vielfach wird die Sache gar nicht als relevant angesehen, aber prinzipiell ist der Missbrauch ein sehr weit verbreitetes Problem, das gewichtige Folgen haben kann. Nur ein Aspekt: Ältere Menschen verstoffwechseln viel langsamer als ein jüngerer Mensch. Da wird die eine – oder auch nur die halbe – Tablette, die regelmäßig genommen wird, kumuliert und schaukelt sich mit der Menge hoch, die bereits im Körper vorhanden ist. Die Folge: der Mensch steht permanent unter Drogen. Damit können, etwa durch die Sturzgefahr, hohe Folgekosten verbunden sein. Ein Oberschenkelhalsbruch kostet da schnell mal 15.000 bis 20.000 Euro. Es ist also ganz im Sinne der Kostenträger, wenn wir das Thema verfolgen. Mal ganz abgesehen von der Lebensqualität, schließlich ist es für einen alten Menschen ein hohes Risiko, wenn jenseits der 80 noch eine solch schwerwiegende OP stattfinden muss.

 

Um welche Medikamente geht es genau?

Auf Platz eins rangieren mit großem Abstand Schlaf- und Beruhigungsmittel. Dabei handelt es sich gar nicht mal um hohe Dosen – meist sind es normale Dosen, die aber zu lange verschrieben werden. Normalerweise sprechen wir über einen Zeitraum von vier Wochen, wobei es ein Zeichen unserer Zeit ist, dass das Ganze auch mal über vier Wochen hinausgeht. Ein halbes Jahr sollte allerdings nicht überschritten werden – da hört der Ermessensspielraum auf! Im Übrigen wirken viele Mittel über einen längeren Zeitraum gar nicht mehr so wie gedacht.

 

Wieso werden die Medikamente länger verschrieben als sinnvoll?

Da gibt es die unterschiedlichsten Gründe. Manchmal ist es den Ärzten gar nicht bewusst, dass man die Sachen nicht so lange verschreiben sollte. Auch fehlt mitunter bei der Verordnung, die einfach so am Tresen ausgestellt wird, die Kontrollfunktion. Oder der Druck von Patienten ist groß. Damit es weniger Auffälligkeiten gibt, werden diese Medikamente, die ja verschreibungspflichtig sind, an GKV-Patienten relativ häufig auch auf Privatrezept verordnet.

 

Wie viele Menschen sind Ihrer Schätzung nach betroffen?

Es gibt eine Masse von Betroffenen in der Bundesrepublik Deutschland: Wir reden hier von einer bis zwei Millionen Menschen. Und das sind nur die Zahlen der GKV. In Privatverordnungen haben wir keinen Einblick, aber nach der Literatur ist es wohl tatsächlich so, dass Langzeitverordnungen zu 50 % auf Privatrezept verordnet werden. Die Dunkelziffer der von Dauereinnahme Betroffenen dürfte sich damit auf jeden Fall noch erhöhen.
Interessanterweise betrifft diese Sucht vor allem ältere Menschen, dabei vor allem Frauen. Ansonsten sind die meisten Suchtformen von Alkohol bis hin zu illegalen Drogen ja meistens männerdominiert, und hier ist es umgekehrt. Diese stille Sucht, die weniger auffällig ist als Alkohol oder Nikotin, ist vor allem weiblich.

 

Wie begegnen Sie dem Problem?

Wir bieten verschiedene Module an, etwa im Rahmen der Intervention zum Thema Schlafmittel, wo wir uns das Verordnungsverhalten anschauen und prüfen, wo es Auffälligkeiten gibt und ob jemand zu lange verschreibt. Anschließend bieten wir in Form von individuellen telefonischen Pharmakotherapieberatungen und einer E-Learning-Fortbildungsveranstaltung, die wir mit einem der führenden deutschen Fachleute eigens zu diesem Thema konzipiert haben, eine Beratung für Ärzte an. Schließlich wollen wir nicht nur kritisieren, sondern auch die Beratungsleistung verbessern und Empfehlungen geben, wie man den betroffenen Patienten helfen kann, wieder von den Medikamenten loszukommen. Die Veranstaltung ist akkreditiert und es gibt dafür Fortbildungspunkte.

 

Akzeptieren die Patienten auch die Ratschläge ihres Arztes?

Es gibt verschiedene Ansatzpunkte. Man kann den Patienten erklären, dass es nicht darum geht, ihnen etwas wegzunehmen, sondern die Lebensqualität zu verbessern. Man würde dann in kleinen Dosierungen von der aktuellen Dosis abgehen – es gibt verschiedene Schemata und Methoden, die wir vorstellen – und in Aussicht stellen, dass es einem wieder besser gehen wird und man auch wieder besser schlafen kann als zuvor. Das Ganze geschieht schonend über einen Zeitraum von einigen Monaten. Der Ansatz ist sehr pragmatisch, weil es einfach darum geht, etwas zu verbessern.

 

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Für nähere Information zum Dienstleistungsmodul „Schlafmittel“ erreichen Sie Dr. Ernst Pallenbach unter der Telefonnummer 07641 9201-366 oder per E-Mail an EPallenbach@arz-emmendingen.de.

 

 

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